Schwimmende Gebäude und veränderte Raumplanung: 700 Experten treffen sich jetzt an der Universität Hamburg und diskutieren Wege, wie mit den Folgen des Klimawandels umzugehen ist.

Hamburg. Schwimmende Gebäude, Frischluftschneisen in Städten, eine veränderte Raumplanung: Dies sind Beispiele, wie Metropolen der Herausforderung des Klimawandels begegnen können, um ihre Bewohner vor Hochwasser oder Hitzewellen zu schützen. Von Montag bis Mittwoch treffen sich mehr als 700 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zur ersten europäischen Konferenz, die ein weltweites Spektrum von Anpassungsnotwendigkeiten an veränderte Klimabedingungen sowie passende Lösungsansätze behandeln wird. Zunächst war das Treffen in der Universität Hamburg mit nur 500 Teilnehmern geplant - "wir sind mit Anmeldungen vollkommen überrollt worden", sagt Arne von Maydell von der TuTech Innovation GmbH, die die Tagung organisiert.

Die Konferenzteilnehmer aus aller Welt besuchen einen Tagungsort, der zum Thema einiges zu bieten hat. "Gerade in der Wasserwirtschaft und der Umweltplanung gibt es in der Hamburger Verwaltung eine große Kompetenz", sagt Prof. Jörg Knieling. Er leitet an der HafenCity-Universität das Fachgebiet Stadtplanung und Regionalentwicklung. Knieling ist zugleich einer von vier Koordinatoren des Netzwerkes Klimzug Nord. Dort haben sich rund 80 Partner aus der Forschung, aus Behörden und Unternehmen zusammengeschlossen, um die Metropolregion Hamburg fit für den Klimawandel zu machen. Neben dem Stadtstaat sitzen acht Landkreise in Niedersachsen (von Cuxhaven bis Lüchow), sechs in Schleswig-Holstein (Heide bis Ratzeburg) sowie der Landkreis Ludwigslust mit im Boot.

Seit vier Jahren entwickeln die Klimzug-Akteure praxisnahe Lösungsansätze in drei Bereichen: Management der Tideelbe von Geesthacht bis zur Nordsee, Zukunft der Kulturlandschaften sowie integrierte Stadt- und Raumentwicklung. Letztere widmet sich in Hamburg vor allem einem Thema: dem Hochwasserrisiko durch Sturmfluten und Starkregen. Seit Jahren plädieren Wasserbau- und Stadtplanungsexperten dafür, das Wasser als Gestaltungselement einzubeziehen anstatt es auszusperren. Knieling: "Vieles wurde schon in anderen Bezügen diskutiert. Wir suchen neue, noch bessere Lösungen und wollen ihnen den Weg in die Praxis bahnen."

Ein Projektpartner ist die Internationale Bauausstellung (IBA), die unter anderem mit ihrem Projekt WaterHouses das Bauen am und im Wasser (und zusätzlich eine energieeffiziente Gebäudetechnik) demonstriert. Andere Ansätze sind schwimmende Häuser und Gebäude, die bei steigendem Wasserstand mitwachsen können. Weiterentwicklungen von Hausbooten sind bereits vereinzelt auf Hamburger Gewässern zu sehen, doch viele existieren bislang nur auf dem Papier. "Die Genehmigungen dauern lange, weil die Routine fehlt", sagt Knieling. Er sieht ein zweites Problem: "Die bisherigen Projekte zeigen zwar, dass sich schwimmende Häuser bauen lassen, doch sind sie sehr hochpreisig. Wir brauchen hier erschwingliche Konzepte, die mehr Menschen nutzen können."

Es mache angesichts der Klimaszenarien für 2050 oder 2070 wenig Sinn, die Deiche immer höher zu bauen, betont der studierte Raumplaner und Politikwissenschaftler, der im Fachbereich Architektur promoviert hat. Allerdings bestehe gerade in Hamburg - mit den Erfahrungen der Sturmflut 1962 - das Paradigma, Wasser um jeden Preis aus Wohngebieten herauszuhalten. Eine sinnvolle Alternative sei zum Beispiel die Kaskadenlösung für überflutungsgefährdete Stadtbereiche. Sie sieht vor, den Deich überschwemmen zu lassen und das Wasser dahinter aufzufangen. Dort könnten Gewerbeflächen und Ähnliches liegen, aber keine Menschenleben. Eine zweite, niedrigere Deichlinie aus Hügeln dient als Landschaftselement. In der anschließenden zweiten Zone können Häuser stehen, die baulich gegen Hochwasser gerüstet sind. Knieling: "Erst in der dritten Zone folgt die normale Wohnbebauung. Diese Viertel müssten notfalls evakuiert werden. Bei diesem Konzept bleibt dafür ausreichend Zeit."

Die Bedeutung von Überschwemmungsflächen sei vielen Planern noch nicht bewusst, so Knieling. Das gelte auch für die Hochwasservorsorge an kleineren Fließgewässern der Stadt. Ein Beispiel ist die Wandse, eine Modellregion des Klimzug-Projekts. Dort soll im Rahmen der Trassenplanung für die S 4 der Bahndamm in den Hochwasserbereich hineingebaut werden. Generell gelte es zu verhindern, dass in Überschwemmungsgebieten Neubauten entstehen, warnt Knieling. Denn diese könnten in wenigen Jahrzehnten das Hochwasserrisiko verschärfen.

Die EU fordert in ihrer Wasserrahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten auf, an den Flüssen mehr Überschwemmungsflächen für den Hochwasserschutz vorzusehen. Denn große Flüsse sind grenzüberschreitend, hier ist ein abgestimmtes Vorgehen der Anrainerstaaten gefragt. "Die EU unterstützt mit Fördermitteln diese und andere Anpassungsmaßnahmen an den Klimaschutz", sagt Jörg Knieling. Das gelte auch für viele Klimzug-Projekte.

Die Anpassung an Hochwasserrisiken wird auf der jetzt beginnenden Tagung ein wichtiges Thema sein. Dabei können die Konferenzteilnehmer auch Lösungsansätze in der Praxis besichtigen, etwa auf einer Führung vom Landungsbrückengebäude, das dank Flutschutztoren, einer Spundwand mit Promenade und Fenstern aus Panzerglas herannahenden Sturmfluten trotzen kann, bis zur Speicherstadt und HafenCity, wo einige Untergeschosse so gemanagt werden, dass sie Überflutungen vertragen.

Hamburg selbst könne vor allem von den Niederlanden lernen, so Knieling, dort gelte der Leitgedanke "Living with water" (mit Wasser leben). "Stadtplaner entwickeln in Rotterdam Bereiche mit multifunktionaler Nutzung, etwa Spielplätze, die bei Hochwasser als Auffangbecken fungieren. Oder Sportplätze, die als Überschwemmungsflächen dienen." Allerdings müssten zusätzliche Fragen geklärt werden, etwa, ob einströmende Fluten Schadstoffe auf die Flächen spülen können.

Das Leben mit dem Wasser bleibt also eine komplexe Aufgabe. Der Erfahrungsaustausch mit Vorreitern aus aller Welt, so wie er derzeit an der Universität Hamburg geschieht, kann helfen, sie zu bewältigen.